Wie verhindert man ein Buch, dessen Inhalt man nicht kennt? Es bleibt nur ein Weg: Die Autorin mit einem Shitstorm zu diskreditieren. – #hateleaks Teil 4.
Es war eine schwierige Mission. Alles, was die Beteiligten wussten: Da sollte irgendwann ein Buch publiziert werden, das um keinen Preis erscheinen durfte. Aber der Inhalt war noch unbekannt und damit schwer angreifbar. Damit führte der einzige mögliche Weg über die Autorin des Buchs. Sie musste in aller Öffentlichkeit unmöglich gemacht werden. Denn wer nimmt ein Buch ernst, das aus zweifelhafter Quelle kommt?
Michèle Binswangers Buchprojekt «Die Zuger Landammann-Affäre» vorzeitig zu Fall zu bringen, indem die Autorin nach allen Regeln der Kunst demontiert wird: Diese Aufgabe gaben sich rund zwei Dutzend Beteiligte um Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin. Dafür sprachen sie sich in einem Facebook-Chat ab, der inzwischen im Rahmen der #hateleaks offengelegt wurde. In engem Austausch und in hoher Kadenz diskutierten die Teilnehmerinnen Aktionen, dank derer Binswanger in den Augen des Publikums als untaugliche Journalistin mit egoistischen Motiven gesehen werden sollte – als Fakeschleuder auf einem persönlichen Rachefeldzug.
Die #hateleaks zeigen, mit welchen Methoden Spiess-Hegglin und ihre Chat-Freundinnen versuchten, dieses Ziel zu erreichen. Sie lassen sich in sieben Strategien unterteilen.
Methode 1: Zweifel an der Person säen
In erster Linie ging es darum, Michèle Binswanger in ihrer Rolle als Journalistin in ein schlechtes Licht zu rücken. Der Weg dorthin, darüber war man sich einig, führte über die (sozialen) Medien. Die Aktivistinnen trugen fleissig Material zusammen, das sich aus ihrer Sicht für eine negative Darstellung nutzen liess. Oder sie wandten sich gleich direkt an ihr Publikum, um die Journalistin zu diskreditieren. Besonders beflissen hier mit einem eher länglichen Video Nadja Brenneisen, die in der Berichterstattung über die Zuger Affäre selbst Fake-News verbreitet und danach auf Kritik hin keine Stellung bezogen hatte.
Gleichzeitig stimmten sich die Chat-Teilnehmerinnen über die richtigen Verbreitungswege ab: Wer publiziert was, wer teilt es, wer kreiert einen schmissigen Hashtag dazu? Welches ist der richtige Zeitpunkt, und welcher Ansatz könnte kontraproduktiv sein?
Letzte Instanz in diesen Debatten war immer Jolanda Spiess-Hegglin. Sie schrieb, wenn sie eine Idee besonders gut fand («Grossartig!»), sie meldete Zweifel an, wenn ihr ein Schritt gefährlich schien («Trotzdem Vorsicht»). Sie verteilte motivierende Botschaften («Und zwischendurch einfach mal danke für euer Wirken und überhaupt») und gab die sanfte Aufforderung, in bestimmten Fällen aktiv zu werden, beispielsweise bei der Verbreitung nützlicher Medienbeiträge.
Methode 2: Die Botschaft verbreiten
Entscheidend war, das «Material» einem möglichst grossen Publikum zu zeigen. Zum verabredeten Zeitpunkt und zum gewählten Inhalt sollten möglichst viele voneinander scheinbar unabhängige Stimmen auf Twitter, Facebook und anderen Plattformen in diesen Chor einstimmen, um den Eindruck zu erwecken, die negative Beurteilung von Binswanger werde von einer grossen Masse getragen. Um die Wirkung noch zu steigern, zog man auch eine Petition oder auch einen Offenen Brief in Erwägung.
Aktiv werden konnten die Beteiligten aber nicht immer unter ihrem echten Namen. Denn Äusserungen von bekannten Unterstützern von Spiess-Hegglin waren für Dritte keine glaubwürdige Quelle. Zudem konnten sie in vielen Fällen nicht direkt bei der «Gegenseite» kommentieren, weil sie von dieser bereits blockiert waren.
Methode 3: Fake-Profile
Die einzige Lösung: Falsche Existenzen, also Fake-Profile. Dank ihnen konnten die Beteiligten unter bisher unbelasteten Namen in Erscheinung treten.
Praktischerweise, und das zeigen die Protokolle der #hateleaks verfügten die meisten Aktivistinnen bereits über solche «Alter Egos» in den sozialen Medien.
Dabei waren sie allerdings gezwungen, gelegentlich neue zu erfinden, weil sie mit ihren Fakes früher oder später aufflogen.
«Das ist mein letzter (!) Fakeaccount, der ist noch nicht blockiert», schrieb Jolanda Spiess-Hegglin am 3. November 2021 in einer Debatte zum Thema. Die deutsche Bloggerin Jorinde Wiese wies am 15. Dezember 2021 auf ihre besondere Taktik hin: Sie unterhalte ein Fake-Profil, mit dem sie sich bewusst auch mal entgegen ihren eigentlichen Überzeugungen verhalte, um nicht aufzufallen. Fast schon entschuldigend erklärte S. H. daraufhin, auf Twitter kein Fake-Profil zu besitzen.
Spiess-Hegglin gab bereits 2016 offen zu, auf Facebook einen zweiten Account zu unterhalten. Sie begründete, das ermögliche ihr die Unterwanderung bestimmter Szenen, um Material über Hassbotschafter im Netz zu sammeln. Ihr enger Weggefährte, NetzCourage-Präsident Hansi Voigt, verdächtigte seinerseits im Oktober 2021 auf Twitter Michèle Binswanger, Fakeprofile zu unterhalten, um «mit diesen Accounts gegen NetzCourage zu intrigieren». Er beschwerte sich also ohne Belege über eine Taktik, die ein elementarer Bestandteil des Shitstorms seiner eigenen Kreise gegen Binswanger war.
Methode 4: Promis als Unterstützer
Doch neben Fakes sollten sich möglichst auch real existierende Personen – wenn auch nicht in die Details der konspirativen Kampagne eingeweiht – an der virtuellen Hetzjagd beteiligen.
Hass-Chat-Mitglied und Nationalrätin Aline Trede (Grüne) geht mit gutem Beispiel voran:
Man könne neben Journalisten auch «Musiker/Schauspieler/Radiomenschen» anfragen, schrieb Janine M. am 8. Mai 2020, «um breiter zu fahren und Nachdruck zu geben».
Sie und die anderen Beteiligten wurden daraufhin gebeten, potenzielle Kandidaten in ein Dokument einzutragen, das via iCloud allen zur Verfügung stand. Bei ihrem letzten Stand umfasste die Vorschlagsliste 25 Personen. In der Gruppe wurde auch gemeinsam bedauert, wenn eine angefragte Person erklärte, sich nicht öffentlich zum Thema äussern zu wollen.
Methode 5: Virale «Kunst»
Wo Worte nicht zu reichen schienen, sollten andere Formen den Rest erledigen. Die offensichtlich künstlerisch begabte Jorinde Wiese etwa entwarf Zeichnungen und schrieb einen Song inklusive Videoclip, in denen «Schanett», wie sie Michèle Binswanger bezeichnete, lächerlich gemacht werden sollte. Der Beifall war gross, die Beteiligten brannten darauf, Wieses Werke zu verbreiten. Der Zeitpunkt für eine Veröffentlichung schien aber stets ungünstig. Im Vordergrund stand die Gesamtstrategie. Man müsse «den Ball flachhalten», weil das Buchprojekt derzeit noch als Fall vor Gericht hängig sei, hiess es beispielsweise.
Methode 6: Das Umfeld attackieren
Der koordinierte Shitstorm wurde nicht nur gegen Michèle Binswanger diskutiert und teilweise ausgeführt, sondern auch gegen andere Protagonisten oder Medien, die sich bei Jolanda Spiess-Hegglin und ihrem Umfeld unbeliebt gemacht hatten oder die als «Binswanger-Unterstützer» galten. Gelegentlich kamen sie ungeschoren davon, weil sie mangels Reichweite als zu unwichtig eingestuft wurden oder ihnen die Gruppe keine zusätzliche Plattform bieten wollte. Ein kritischer Artikel in der «Weltwoche» solle nicht kommentiert werden, gab Spiess-Hegglin am 14. Mai 2020 als Direktive, «ignoriert den Scheissdreck bitte». Dieselbe Parole wurde auch für diverse Betreiber privater Blogs ausgegeben.
Methode 7: Provokation
Obwohl Spiess-Hegglin seit Jahren gerichtlich gegen Persönlichkeitsverletzungen kämpft, war es im Chat sogar ein Ziel, solche zu provozieren. Stolz verkündet eine Teilnehmerin am 5. Mai 2020: «Unser öffentlicher Krach hat sich in dem Sinne positiv ausgewirkt, dass MB sich zu weiteren persönlichkeitsverletzenden Aussagen hat hinreissen lassen. Das haben wir gut hinbekommen ;-) »
Führte diese Vielfalt an Methoden zum Ziel? «Die Zuger Landammann-Affäre» ist inzwischen als Buch erschienen, den Ruf von Michèle Binswanger als Journalistin konnte die Facebook-Gruppe nicht beschädigen. Gewisse Erfolge bei der viralen Verbreitung ihrer Botschaften konnten die Urheberinnen der nun enthüllten «Hate Leaks» aber durchaus verbuchen. Von ihnen kreierte Hashtags wie #teamjolanda und #ichbinaucheinejolanda wurden auf Twitter von Dritten übernommen. Wobei diese wohl ahnungslos waren, vor welchem Hintergrund sie entstanden waren.
Jolanda Spiess-Hegglin selbst gab all dem, was hier geschah, am 16. Mai 2020 einen deutlichen Namen: «Was wir hier tun, ist eine Kampagne.»
Stay tuned for #hateleaks Teil 5! Wie Spiess-Hegglin die Mails ihrer eigenen Mitstreiter bei Netzcourage abhörte…
1 Kommentar
Ich frage mich ernsthaft ob Jolanda Spiess-Hegglin nicht unter einer Persönlichkeitsstörung leidet, bzw. zumindestens extrem narzisstisch gemischt mit einer Portion Egozentrik veranlagt ist. Diese Frau war mir noch nie sympathisch. Sie hat damals einfach Mist gebaut und kann offenbar dazu nicht stehen. Nur meine Meinung dazu.